Bolivien

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wächst in Bolivien das Interesse an der präkolumbianischen Zeit, insbesondere an der Tiwanaku-Kultur. Zum Schutz der Hinterlassenschaften erlässt der Staat 1906 die erste Kulturgut-Verordnung.

Was gilt in Bolivien als Kulturgut?

Nach Artikel 4 des Gesetzes Nr. 530 werden Kulturgüter wie folgt benannt:

  1. Tiere, Pflanzen und Felsdarstellungen.
  2. Bewegliches und unbewegliches Vermögen von geistigem, künstlerischem, historischem, dokumentarischem, archäologischem, architektonischem, paläontologischem und ethnographischem Wert, welches sich im Besitz von Kirchen und Ordensgemeinschaften befindet.
  3. Dokumente, Texte, Musikpartituren, Ton- und audiovisuelle Dokumentationen, Bilder jeglicher Art.
  4. Ethnografisches Material.
  5. Handwerkliche Produkte.
  6. Alle Spuren menschlicher Existenz, die teilweise oder vollständig unter Wasser sind oder waren (Unterwassererbe).
  7. Menschen, die die ursprünglichen Fähigkeiten und Techniken der Ahnen noch beherrschen (Lebender menschlicher Schatz).
  8. Paläontologische Überreste.
  9. Merkmale, die in den Genen von Individuen, Tieren oder Pflanzen gespeichert sind und von Generation zu Generation weitergegeben werden, unabhängig davon, ob sie ein Produkt der Natur oder der menschlichen Manipulation sind (genetisches Erbe).

Wie sind die Ausfuhrbestimmungen?

Die Ausfuhr von bolivianischem Kulturgut ohne Genehmigung ist nach Artikel 33 des Gesetzes Nr. 530 verboten. Ausnahmsweise kann eine auf maximal ein Jahr befristete Ausfuhrgenehmigung erteilt werden, und zwar für Ausstellungen sowie für Spezialuntersuchungen, wissenschaftliche Forschung und für Restaurierungen, die im Land nicht durchgeführt werden können.

Welche Sanktionen gibt es?

In die Reform des Gesetzes 530 aus dem Jahr 2019 wurde Artikel 59 aufgenommen, der die Straftaten gegen das Kulturgut in geringfügige, schwere und sehr schwere Taten differenziert. Artikel 61 enthält die entsprechenden Sanktionen. Sie können aus einer Geldstrafe, der Einziehung des Eigentums und/oder dem Abriss von ungenehmigten Bauten bestehen, ohne das Vermögen des Eigentümers zu beeinträchtigen.

Chronologie der Kulturgutschutzgesetze

  • 1838
    Gründung des ersten Staatlichen Museums Boliviens
    Die archäologischen Hinterlassenschaften aus der präkolumbianischen Epoche gewinnen an Bedeutung.
  • 1906
    Eigentumsrecht der Nation
    Alle entdeckten und unentdeckten archäologischen Ruinen werden zum Eigentum der Nation erklärt; Verbot des Exports von Antiken
  • 1909
    Erlass über die Ausgrabungen in Tiwanaku und auf den Inseln des Titicacasees
    In Tiwanaku und auf den Inseln des Titicacasees sind nicht genehmigte archäologische Ausgrabungen verboten.
  • 1927
    Nationaldenkmalgesetz
    Objekte und Stätten von archäologischer, historischer und künstlerischer Bedeutung werden zu nationalen Denkmälern erklärt; Gründung der Kommission für Schöne Künste und Archäologie und der Nationalgalerie der Schönen Künste, Geschichte und Archäologie
  • 1938
    Ergänzung der Verfassung
    Der Export von national wertvollem Kulturgut wird verboten.
  • 1958
    Gründung des für archäologische und anthropologische Forschung und Verwaltung von Tiwanaku (CIAAAT)
    Die archäologische Forschung gewinnt an Bedeutung.
  • 1958
    Resolution des Ministeriums für Bildung und Bildende Kunst
    Bestimmungen für archäologische Ausgrabungen
  • 1961
    Erlass Nr. 05918
    Definition des archäologischen Erbes; Exportverbot von Antiken; Sondermaßnahmen für Diplomaten; Sondermaßnahmen für Sammler von Antiken und Kunstwerken; Gründung der Dirección Nacional de Antropologí.
  • 1965
    Erlass Nr. 7234
    Archäologische Ausgrabungen können nur mit Genehmigung durchgeführt werden; Einschränkungen für private Antiken-Museen
  • 1972
    Erlass Nr. 10426
    Hinzufügung eines Artikels im Título VI des Strafgesetzbuches
  • 1975
    Erlass Nr. 12302
    Gründung des Bolivianischen Kulturinstituts (IBC); Gründung des Nationalen Instituts für Archäologie (INAR)
  • 1975
    Erlass Nr. 12638
    Katalogisierung archäologischer Objekte
  • 1976
    Ratifizierung des UNESCO-Übereinkommens von 1970
    Maßnahmen zum Verbot der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung des kulturellen Erbes
  • 1978
    Erlass Nr. 15900
    Enteignung von Kulturgut
  • 1996
    Reformen im Kultursektor
    Vereinigung des INAR und des Instituts für Anthropologie
  • 2004
    Haager Konvention von 1954
    Schutz des Kulturgutes der Länder im Falle von bewaffneten Konflikten
  • 2014
    – 2019
    Gesetz Nr. 530, letzte Aktualisierung 2019
    Definition des Kulturgutes; obligatorische Registrierung von Kulturgütern im Plurinationalem System zur Registrierung des bolivianischen Kulturerbes (SPR-PCB); Gründung des Fonds zur Förderung des bolivianischen Kulturgutes (FONPAC); Exportverbot für Kulturgüter
  • 2017
    Ratifizierung des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes von 2001
    Der Schutz des Kulturerbes unter Wasser wird dem Schutz des Kulturerbes an Land angepasst.